2020 - Student Exchange Report - Hongik - Sarah Binz

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Mein Alltag während meinem Austausch in Korea war gewöhnungsbedürftig. Morgens wachte ich auf und befand mich in meinem geteilten Zimmer in 11. Stockwerk. Meistens stand ich 5 Minuten vor dem Unterricht auf. Nach einem kurzen Check im Spiegel machte ich es mir wieder auf meinem Bett bequem. Diesmal mit dem Laptop. Mein persönliches und berufliches Leben war im kleinen Zimmer des Wohnheim beschränkt. Ein sehr spezielles und beklemmendes Gefühl. Ich schaltete mein Laptop an und befand mich nach wenigen Klicks im virtuellen Unterricht. Von einem Austausch kann man kaum reden. Flüchtig, scheue Blicke in die Kamera, das war mein täglicher Kontakt mit der Aussenwelt Korea. Doch zum Glück gab es in meinem Stockwerk andere Studierende und ich hatte viel Kontakt mit ihnen. Ab und an bestellten wir uns essen und liessen es uns gut gehen. Wenn ich einen Nachmittag Zeit hatte, spazierte ich im Viertel Hongdae und gönnte mir in einem Kaffee, einen Iced Americano. Wenn ich motiviert war arbeitete ich im Kaffee an meinen Projekten. Nebst meinem Zimmer war dies mein Arbeitsumfeld. Dieses Semester war so ziemlich auf einige wenige Räume beschränkt. Diese möchte ich in diesem Bericht ein bisschen näher bringen. Zunächst möchte ich den Grund schildern für meinen Austausch in Korea. Ich war schon seit einigen Jahren von der koreanischen Kultur fasziniert. Ich habe vieles darüber gelesen, gehört und gesehen. Jedoch sind dies nur geschilderte, projizierte Bilder einer Kultur (ähnlich wie dieser Bericht). Was mich aber interessierte war das Erlebnis. Ich wollte die Vibrationen von Korea aus erster Hand spüren. Aus diesem Grund entschied ich mich, mein 4. Semester in diesem Land zu verbringen.

Die Rahmenbedingungen

Korea ist ein sehr stolzes Land mit einer jungen Geschichte. Deswegen ist es für die Bevölkerung dort sehr wichtig, zuerst Koreaner zu sein. Die Sprache spielt in diesem Fall eine sehr wichtige Rolle. Die meisten fühlen sich nicht wohl sich in der englischen Sprache mitzuteilen und die Anfreundung mit Koreaner wird dadurch etwas erschwert. Ich musste meine Freunde immer wieder daran erinnern, dass ich selbst nicht englischer Muttersprache bin und sie ohne sich zu schämen mit mir Englisch reden können. Denn es stellt sich schnell heraus, dass sie durchaus fähig waren, Englisch zu reden. Eine andere Rahmenbedingung, welche mich in diesem Austausch verfolgte, war die COVID-19 Krise. Als ich im Februar in Korea ankam war das Corona-Virus ziemlich verbreitet. So musste ich meine ersten zwei Wochen in einem Zimmer in Quarantäne verbringen. Diese Erfahrung war sehr spannend, denn ich hatte genug Zeit mich zu langweilen und somit kreativ zu werden. Hongik ist eine grosse Universität welche in ganz Korea bekannt ist für seine Künste. Deswegen sind auch die Klassen immer mit mindestens 30 Personen gefüllt, was dich als Individuum sehr in den Hintergrund rückt. Wenn man als Künstler auffallen will, muss man viel Arbeit und Zeit investieren. In der Situation der Corona- Pandemie war diese Anonymität sehr stark. Man konnte keinen Kontakt mit Studierenden und Professoren aufbauen. Ich empfand diese Situation als sehr unangenehm, da man eigentlich als Künstler sehr gerne persönliches Feedback für seine Arbeiten erhalten möchte. Mit der Zeit wurde ich immer unabhängiger und gezielter mit meinen Anfragen an Mitstudierende und Professoren.

Arbeitsumfeld

Mein 4. Semester habe ich an der Hongik Universität in Seoul absolviert. Ich verbrachte das Semester in verschiedenen Klassen, wie interkultureller Austausch, Koreanische Kunstgeschichte, Koreanisch, Design Research Studio sowie in einer Kollaboration mit Universal. Mein Arbeitsplatz war auch meiner Meinung nach ziemlich eingeschränkt. Ich absolvierte mein Onlineunterricht in meinem engen Zimmer und realisierte meine Projekte in diversen Kaffees. Es war am Anfang definitiv nicht sehr angenehm, denn ich hatte keinen Atelierplatz um meine Sachen auszubreiten. Doch es stellte sich schnell heraus, dass selbst wenn es keine Pandemie gäbe, hätten wir keinen Atelierplatz von der Schule zu Verfügung gestellt bekommen. Somit musste ich mich damit abfinden und das Beste daraus machen. Dank diesem Arbeitsumfeld war ich jedoch das ganze Semester stets hydriert und mit Koffein vollgeladen. Da ich mich für die Kultur von Korea interessierte war mir von Anfang an klar, welche Kurse ich gerne belegen möchte. Geschichte, Sprache und Austausch. An der Hongik Universität werden die Klassen von den Studierenden selber belegt. Somit hatte ich eine grosse Auswahl an sehr verschiedenen Vorlesungen. Da ich zusätzlich Austauschstudent war, konnte ich interdisziplinär meine Kurse auswählen. Dies habe ich teilweise ausnützen können. Da mir die Kultur in diesem Austausch am wichtigsten war, wollte ich mich viel mit Koreaner unterhalten. Die Hongik Universität hat kreative, gestalterische Vorlesungen mit Studenten, welche sich für die deutschsprachige Kultur interessieren. In dieser können die kulturellen Unterschiede verglichen und verarbeitet werden. Spannend an dieser Vorlesung war, dass wir zum Schluss gemeinsam ein Grafikbuch mit Fotos und Berichten aus der deutschen und koreanischen Perspektive realisieren konnten. Um all diese Inputs der Kultur und Geschichte von Korea zu verarbeiten, habe ich mich auch in zwei Hauptmodulen mit bestimmten künstlerischen Zielen angemeldet. Das eine Modul war eine Kollaboration mit Universal Picture Studio Korea. Hier hatten wir die Möglichkeit, die koreanische Werbeindustrie näher zu analysieren und gewisse grafische sowie illustrative Produkte mit dem Studio zu verwirklichen. Ich habe dieses Projekt im Nachhinein sehr geschätzt. Das Arbeiten war sehr kompetitiv und man musste jede Woche neue Ideen präsentieren. Da die Klasse aus 30 Studenten bestand, musste man sich originelle und einzigartige Illustrationen einfallen lassen, um aus der Masse herauszustechen. Am Anfang war ich von diesem Arbeitsverhalten sehr verunsichert. Aber mit der Zeit konnte ich mich besser und gezielter ausdrücken. Das Highlight dieses Moduls war, dass am Schluss das Managementteam von Universal bei der Abschlusspräsentation meiner Arbeiten sehr daran interessiert waren. Dank diesem Modul habe ich nun eine offene Türe bei Universal Studio. Jedoch bleibt diese nur halb offen, das sie im Moment der Krise keine Praktikanten aufnehmen. Das andere Modul war eine Abschlussklasse, welche ihr Abschlussprojekt realisierte. Das Ziel war es, als visueller Vermittler eine Geschichte kohärent zu vermitteln. Wichtig in diesem Projekt war, seine eigene Stimme als Künstler weiter zu entwickeln. In dieser Vorlesung habe ich gelernt selbständig mein Wissen zu erweitern und dieses in ein Projekt umzusetzen. Bei dem Projekt, das in diesem Rahmen entstanden ist, handelt es sich um ein Scroll Comic, welches ein Parallax-Effect aufweist. Am Anfang waren diese Rahmenbedingungen in beiden Modulen eine Herausforderung. Doch mit der Zeit lernte ich diese Freiheit zu schätzen.

Im Rahmen von Seoul

Die Stadt Seoul bietet alles mögliche. Vom kleinen gemütlichen Kaffee mit Katzen, zur Karaoke-Bar bis hin zu modischen Kleiderläden. Ich fühlte mich in dieser Stadt sehr wohl. Man hat das Gefühl, dass man alles erleben kann. Ich denke ich konnte es richtig geniessen, denn vieles war trotz Corona geöffnet. Natürlich gab ich stets darauf acht, nicht an zu stark besuchte Plätze zu gehen. Einer meiner Lieblingsorte war das „Dorebang“, auch bekannt als Karaoke-Paradies. Was ist schöner als am Abend nach dem Alltagsstress die Stimmbänder zu zerstören. Mit den richtigen Freunden macht das richtig Spass. Man kann sogar das Essen dorthin liefern lassen. Im Viertel Hongdae war auch während meinem ganzen Austausch immer etwas los. Es kann toll sein, aber wenn man in der Nacht immer noch die Bässe einer Bar hört, ist der Spass bei mir vorbei. Allgemein merkte ich schnell, dass mir in der Grossstadt die Natur fehlte. Nach einigen Wochen besuchte ich die verschiedene Pärke in Seoul. Nach einer Weile entschloss ich mich, auch die Hügel und Berge um Seoul zu besteigen. Eine toller Erfahrung war es, als mich eine koreanische Freundin zu einer Wanderung einlud. Dies war das erste Mal, dass ich Seoul im Ganzen erblicken konnte. Das Besteigen des Berges war sehr anstrengend, da die Berge in Korea ziemlich steil sind und der Weg hauptsächlich aus Treppen bestand. Als wir den Gipfel erreichten, war dieser so von Wanderer überfüllt, dass der Berg gute 20 Meter an Höhe zugelegt hat. So entschlossen wir uns rasch weiter zu gehen. Der Abstieg war abenteuerlich. Zunächst folgten wir den markierten Weg. Doch mit der Zeit verschwamm dieser immer mehr mit die Natur, bis wir uns zum Schluss in einem trockenen Flussbecken befanden. Wir folgten diesen für etwa 30 Minuten. Während dieser Zeit trafen wir keine Menschenseele. Als wir aufgeben wollten und wieder bergauf laufen wollten, fanden wir zum Glück den Wanderweg wieder. Nach etwa 4 Stunden wandern befanden wir uns wieder in der Stadt. Ich erinnere mich gerne an solche Momente. Ich denke, so etwas würde mir in der Schweiz nie passieren. Was mir auch sehr am Herzen liegt ist das koreanische Essen. Man hört und sieht vieles, aber das Essen von Korean BBQ oder Kimchijigae ist einfach himmlisch. Ich möchte damit die Esskultur von Korea näher bringen. Zunächst bekommt man immer Nebenspeisen, welche die Hauptspeisen begleiten. Diese sind im Preis inbegriffen und können jederzeit aufgefüllt werden. Zu trinken gibt es immer Wasser oder einen kalten Weizentee. Die meisten Gerichte beinhalten entweder Suppe, Reis oder fermentiertes Gemüse. Die Grössen der Portionen sind nicht für eine, sondern eher für zwei Personen gedacht. Ich denke, dass ich nach meinem Austausch einen zweiten Magen habe mutieren lassen. Das bekannteste fermentierte Nebengericht ist Kimchi. Es ist Kohl, welcher in einer scharfen roten Paste eingelegt wird und für mehrere Wochen fermentiert wird. Kimchi wird ohne Ausnahme in jedem Restaurant serviert. Da die Koreaner viel essen fragte ich mich, wie sie trotz allem so dünn bleiben. Eine Freundin von mir meinte witzelnd, dass es wegen dem Kimchi wäre. Na ob das auch wirklich stimmt?! In der koreanischen Kultur ist das Essen so wichtig geworden, dass sie als Höflichkeit fragen, ob man schon gegessen hat. Man kann es gleichsetzen mit: "Wie geht es dir?"

Das Leben neben der Schule war auch eine sehr schöne aber auch abenteuerliche Erfahrung. Die Tempel, die Architektur und die Natur. Im Vergleich mit der Schweiz ist alles sehr befremdlich, aber wunderschön. Die Koreaner sind trotz einigen befremdlichen, scheuen Aktionen eine offene und liebenswerte Kultur. Zum Beispiel lernte ich an einem Abend eine Koreanerin kennen, und am nächsten Tag waren wir schon unterwegs für einen 5-tägigen Road Trip. Diese spontane Aktionen schätzte ich sehr. Besonders während der Corona Krise. Grundsätzlich kann ich ein Austausch in Korea nur weiterempfehlen. Ich persönlich bin dorthin gereist um mehr über die Kultur zu erfahren. Trotz der Pandemie konnte ich mein Wissen erweitern und mich als Person weiterentwickeln. Ich kann jetzt unabhängiger und konsequenter Arbeiten sowie meine Ziele und Herausforderungen klar formulieren und erreichen. Die Schule war in meinen Augen zweitrangig, da ich der Meinung bin, dass man an jedem Ort zu jeder Zeit neue Sachen lernen kann. Streng genommen habe ich jedoch für meine Studienrichtung Animation sehr wenig gelernt. Aber dies war eine bewusste Entscheidung meinerseits. Was ich an der Hongik Universität sehr geschätzt habe war, dass sie die individuelle Arbeit in den Vordergrund gestellt haben. Man hatte die Freiheit sich in jeder Richtung zu entfalten. Wenn man eine Schule mit vielen Möglichkeiten und auch englischem Unterricht sucht, ist diese Schule sehr zu empfehlen. Jedoch muss man im Hinterkopf behalten, dass die Universität eine grosse Anzahl an Studenten hat und unter anderem nicht die nötigen Infrastrukturen besitzt, wie Atelierplätze und angemessene Vorlesungsräume. Da ich ein digitaler Künstler bin, war dies für mich zum Glück kein Hindernis. Ich bin aber froh wieder in der Schweiz zurück zu sein. Der Austausch gab mir die Möglichkeit, ein Semester lang ein paralleles Leben zu führen. Jetzt bin ich bereit meine Ziele und Projekte in der Schweiz mit neuem Elan anzupacken.