Difference between revisions of "2016 - Student Exchange Report - Korea National University of Arts - Kutay Zaide"

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Nordkorea?
 
Nordkorea?
  
Wenn ich Leuten erzahlt habe, dass ich ein Semester lang eine Universitat in Korea besuche, war dies normalerweise die erste Reaktion darauf. lch weiss nicht, ob man tatsachlich einen Auslandsaufenthalt im Rahmen eines universitaren Austauschs in Nordkorea absolvieren kann - ich bezweifle es sehr - doch stand wohl der Norden der koreanischen Halbinsel bisher immer weitaus mehr im Zentrum internationaler Aufmerksamkeit als ihr Süden. Vollkommen unberechtigt! lch weiss nicht mehr, wann ich genau mit diesem Land in Kontakt kam, vielleicht vor 6/7 Jahren, da fing ich an, koreanische Fernsehserien zu schauen. Südkorea ist nicht gerade bekannt für seine Animationsfilme, aber, und viele wissen das nicht, hat ein wahnsinnig boomende Filmindustrie; die Qualitat ihrer Produkte ist beachtlich: Eine neue Welt eroffnete sich mir. In dieser neuen Welt gab es anders aussehende Menschen, eine andere Sprache, anderes Essen, eine andere Kultur. So wollte ich dieses Land, welches ich auch nur als entfernter Beobachter durch die Kamera gesehen hatte endlich kennenlernen.
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Wenn ich Leuten erzahlt habe, dass ich ein Semester lang eine Universität in Korea besuche, war dies normalerweise die erste Reaktion darauf. lch weiss nicht, ob man tatsächlich einen Auslandsaufenthalt im Rahmen eines universitären Austauschs in Nordkorea absolvieren kann - ich bezweifle es sehr - doch stand wohl der Norden der koreanischen Halbinsel bisher immer weitaus mehr im Zentrum internationaler Aufmerksamkeit als ihr Süden. Vollkommen unberechtigt! lch weiss nicht mehr, wann ich genau mit diesem Land in Kontakt kam, vielleicht vor 6/7 Jahren, da fing ich an, koreanische Fernsehserien zu schauen. Südkorea ist nicht gerade bekannt für seine Animationsfilme, aber, und viele wissen das nicht, hat eine wahnsinnig boomende Filmindustrie; die Qualitat ihrer Produkte ist beachtlich: Eine neue Welt eröffnete sich mir. In dieser neuen Welt gab es anders aussehende Menschen, eine andere Sprache, anderes Essen, eine andere Kultur. So wollte ich dieses Land, welches ich auch nur als entfernter Beobachter durch die Kamera gesehen hatte endlich kennenlernen.
  
  
Unsere Partnerschule, die Korea National University of Arts (KNUA) ist in Seoul, ungefahr 30 Minuten vom Stadtzentrum entfernt. Sie liegt etwas erhöht; auf dem Gelande befinden sich die School of Film, TV & Multimedia, die School of Drama, School of Visual Arts, School of Korean Traditional Arts, diverse Ateliers, ein Studentenwohnheim und ein Park mit einer alten Grabstatte. In der Umgebung befinden sich weitere Universitäten und obwohl abseits des touristischen Trubels, gibt es viele nette und ausgesprochen gute Restaurants, die mit fantastischem Essen aufwarten konnen. Wir zwei von der Animation, Isabella und ich, waren zusammen mit Angelina, auch von der HSLU, aus K&V, in einem Zimmer im Studentenwohnheim einquartiert; trotz allem wir uns zu dritt das Zimmer teilen mussten, gab es nie Probleme. lnsgesamt waren an der Schule nicht viele Austauschstudenten; wir waren nur neun, davon vier Schweizer.
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Unsere Partnerschule, die Korea National University of Arts (KNUA) ist in Seoul, ungefahr 30 Minuten vom Stadtzentrum entfernt. Sie liegt etwas erhöht; auf dem Gelande befinden sich die School of Film, TV & Multimedia, die School of Drama, School of Visual Arts, School of Korean Traditional Arts, diverse Ateliers, ein Studentenwohnheim und ein Park mit einer alten Grabstätte. In der Umgebung befinden sich weitere Universitäten und obwohl abseits des touristischen Trubels, gibt es viele nette und ausgesprochen gute Restaurants, die mit fantastischem Essen aufwarten konnen. Wir zwei von der Animation, Isabella und ich, waren zusammen mit Angelina, auch von der HSLU, aus K&V, in einem Zimmer im Studentenwohnheim einquartiert; trotz allem wir uns zu dritt das Zimmer teilen mussten, gab es nie Probleme. lnsgesamt waren an der Schule nicht viele Austauschstudenten, wir waren nur neun, davon vier Schweizer.
  
Meine Ankunft in Seoul war nicht unbedingt der beste Start, den man sich vorstellen kann. Der Flug ging uber London und die Flugzeit alleine betrug etwa 14 Stunden. lch hatte gehofft, im Flugzeug etwas schlafen zu können, doch war mir das unmoglich gewesen und so kam ich in lncheon, Seoul, aufgeregt, aber völlig ubermüdet an. Da half auch nicht viel, dass ich am gleichen Tag mit dem ganzen Gepack noch zur Schule zum Kurseinschreiben und danach das Hostel suchen müsste - beide Orte zu diesem Zeitpunkt wahnsinnig schwer zu finden und dann war da noch das unglaublich frostig Wetter, das mir durch Mark und Bein ging. lch erinnere mich noch gut daran, ebenso gut wie an die unsagbar heisse und schwule Suppe im Sommer, die ich jetzt zum Glück hinter mir lassen konnte. Wenn ich eines sagen kann, dann ist es das, was für mich am meisten Korea ausmacht: Der Winter eiskalt, der Sommer schweisstreibend heiss.., die Menschen unsäglich schüchtern, doch auch ungeahnt gesprächig, anstrengend oberflächlich, aber tiefsinnig ohne Boden - Korea ist extrem. Korea ist auch ein Land, das irgendwo zwischen unserem westlichen lndividualismus und dem asiatischen Kollektivismus hangt, ein Land, das zu schnell gewachsen ist, so schnell, dass irgendwie die alten Werte und Traditionen nicht haben mithalten konnen und die Kinder nicht mehr die Eltern verstehen. lch habe den Eindruck, dass die Gesellschaft noch nicht genau weiss, wohin mit sich. lch war erstaunt, wie viele meiner Mitstudenten sich gar hasserfüllt über ihr eigenes Land und die politischen Zustande äussern und mich fragten, ob ich meinen Aufenthalt an ihrer Schule bereue. Und diese Mitstudenten, die so normal aussahen, wie alle anderen Koreaner, forderten derartig düstere und reflektiv-kritische Geschichten zu Tage, die mich über alle Masse beeindruckten und ich immer noch rätseln muss, woher das kommt.
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Meine Ankunft in Seoul war nicht unbedingt der beste Start, den man sich vorstellen kann. Der Flug ging über London und die Flugzeit alleine betrug etwa 14 Stunden. lch hatte gehofft, im Flugzeug etwas schlafen zu können, doch war mir das unmoglich gewesen und so kam ich in lncheon, Seoul, aufgeregt, aber völlig übermüdet an. Da half auch nicht viel, dass ich am gleichen Tag mit dem ganzen Gepäck noch zur Schule zum Kurseinschreiben und danach das Hostel suchen musste - beide Orte zu diesem Zeitpunkt wahnsinnig schwer zu finden und dann war da noch das unglaublich frostig Wetter, das mir durch Mark und Bein ging. lch erinnere mich noch gut daran, ebenso gut wie an die unsagbar heisse und schwüle Suppe im Sommer, die ich jetzt zum Glück hinter mir lassen konnte. Wenn ich eines sagen kann, dann ist es das, was für mich am meisten Korea ausmacht: Der Winter eiskalt, der Sommer schweisstreibend heiss... die Menschen unsäglich schüchtern, doch auch ungeahnt gesprächig, anstrengend oberflächlich, aber tiefsinnig ohne Boden - Korea ist extrem. Korea ist auch ein Land, das irgendwo zwischen unserem westlichen lndividualismus und dem asiatischen Kollektivismus hängt, ein Land, das zu schnell gewachsen ist, so schnell, dass irgendwie die alten Werte und Traditionen nicht haben mithalten konnen und die Kinder nicht mehr die Eltern verstehen. lch habe den Eindruck, dass die Gesellschaft noch nicht genau weiss, wohin mit sich. lch war erstaunt, wie viele meiner Mitstudenten sich gar hasserfüllt über ihr eigenes Land und die politischen Zustande äussern und mich fragten, ob ich meinen Aufenthalt an ihrer Schule bereue. Und diese Mitstudenten, die so normal aussahen wie alle anderen Koreaner, forderten derartig düstere und reflektiv-kritische Geschichten zu Tage, die mich über alle Masse beeindruckten und ich immer noch rätseln muss, woher das kommt.
  
Kommunikation im Allgemeinen gestaltete sich überraschenderweise sehr kompliziert - die Koreaner sprechen nicht gerne Englisch, viele konnen es nicht, viele haben Komplexe, als Ausländer ist man daher schnell isoliert. lch bin froh, dass ich die Kurse zusammen mit Isabella besucht habe und wir somit immer zu zweit waren. Das soll aber gar nicht heissen, dass die Menschen hier unfreundlich sind, ganz im Gegenteil. Nachdem wir mit dem Animationsjahrgang essen und trinken gegangen sind, hat sich die Stimmung auch sofort entspannt. Vom Alkohol gelöste Zungen waren plötzlich des Englischen mächtig und wir konnten uns gut mit unseren Kommilitonen unterhalten.
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Kommunikation im Allgemeinen gestaltete sich überraschenderweise sehr kompliziert - die Koreaner sprechen nicht gerne Englisch, viele können es nicht, viele haben Komplexe, als Ausländer ist man daher schnell isoliert. lch bin froh, dass ich die Kurse zusammen mit Isabella besucht habe und wir somit immer zu zweit waren. Das soll aber gar nicht heissen, dass die Menschen hier unfreundlich sind, ganz im Gegenteil. Nachdem wir mit dem Animationsjahrgang essen und trinken waren, hat sich die Stimmung auch sofort entspannt. Vom Alkohol gelöste Zungen waren plötzlich des Englischen mächtig und wir konnten uns gut mit unseren Kommilitonen unterhalten.
  
Die Studiengange der KNUA haben für den Bachelor vier Jahre zur Verfügung und ich sehe jetzt auch den Unterschied im Vergleich zu uns. Die Studenten der Animation haben mehr Zeit, das Handwerk der Animation intensiver zu erlernen und setzen sich dabei mit mehr Techniken und Programmen auseinander - was nur von Vorteil sein kann! Obwohl technisch wesentlich schlechter ausgerüstet als bei uns, erforderte dies zwar etwas Gewöhnung, allerdings konnte ich Kurse besuchen, die mir an unserer Schule nicht zur Verfügung stehen und Programme lernen, die mir als 2D-Studentin normalerweise nicht gezeigt worden waren. Durch den ungewohnt hohen Anteil Theorie im regularen Unterricht gab es vor allem am Anfang eine recht lange Durststrecke (da nur auf koreanisch) - in der ich aber erfolgreich mein Skizzenbuch vorantreiben konnte. Nach etwa zwei Monaten mehrheitlich Theorie folgten zwei Monate intensiver praktischer Arbeit. lch habe den Eindruck, dass die Koreaner der Quantität mehr Wichtigkeit zukommen lassen als der Qualität und so hatte ich in allen vier Fachern Abgaben und Deadlines etwa zur gleichen Zeit - ich glaube wirklich, ich habe noch nie so viel gemacht, wie in diesem Semester! Die Koreaner arbeiten viel und hart; als Austauschstudent ist man in der Hinsicht vielleicht etwas aussen vor, doch entschied ich mich, wenn ich denn nun schon da war, die Situation in der Schule auch voll auszunützen und mich dem gleichen Pensum und Druck wie meine Mitstudenten auszusetzen. Es hat sich für mich gelohnt. lch kann nicht wirklich einschatzen, ob die Qualitat meiner Arbeiten besonders war - auch hier, aufgrund der sprachlichen Mitteilungsprobleme hinsichtlich der Dozenten gab es für uns selten brauchbares Feedback, doch war es vielleicht auch genau dieser Umstand, der mich gezwungen hat selbstständiger und selbstbewusster an das Arbeiten zu gehen und zu reflektieren. Was für und wie meine koreanischen Mitstudenten Geschichten erzählen war tor mich Oberdies eine Oberaus inspirierende Erfahrung, von der ich denke, dass sie mich auch in meinem weiteren Schaffen prägen wird.
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Die Studiengänge der KNUA haben für den Bachelor vier Jahre zur Verfügung und ich sehe jetzt auch den Unterschied im Vergleich zu uns. Die Studenten der Animation haben mehr Zeit das Handwerk der Animation intensiver zu erlernen und setzen sich dabei mit mehr Techniken und Programmen auseinander - was nur von Vorteil sein kann! Obwohl technisch wesentlich schlechter ausgerüstet als bei uns, erforderte dies zwar etwas Gewöhnung, allerdings konnte ich Kurse besuchen, die mir an unserer Schule nicht zur Verfügung stehen und Programme lernen, die mir als 2D-Studentin normalerweise nicht gezeigt worden wären. Durch den ungewohnt hohen Anteil Theorie im regulären Unterricht gab es vor allem am Anfang eine recht lange Durststrecke (da nur auf koreanisch) - in der ich aber erfolgreich mein Skizzenbuch vorantreiben konnte. Nach etwa zwei Monaten mehrheitlich Theorie folgten zwei Monate intensiver praktischer Arbeit. lch habe den Eindruck, dass die Koreaner der Quantität mehr Wichtigkeit zukommen lassen als der Qualität und so hatte ich in allen vier Fächern etwa zur gleichen Zeit Abgaben und Deadlines - ich glaube wirklich, ich habe noch nie so viel gemacht, wie in diesem Semester! Die Koreaner arbeiten viel und hart; als Austauschstudent ist man in der Hinsicht vielleicht etwas aussen vor, doch entschied ich mich, wenn ich denn nun schon da war, die Situation in der Schule auch voll auszunützen und mich dem gleichen Pensum und Druck wie meine Mitstudenten auszusetzen. Es hat sich für mich gelohnt. lch kann nicht wirklich einschätzen, ob die Qualitat meiner Arbeiten besonders war - auch hier, aufgrund der sprachlichen Mitteilungsprobleme hinsichtlich der Dozenten gab es für uns selten brauchbares Feedback, doch war es vielleicht auch genau dieser Umstand, der mich gezwungen hat selbstständiger und selbstbewusster an das Arbeiten zu gehen und zu reflektieren. Was für und wie meine koreanischen Mitstudenten Geschichten erzählen war für mich überdies eine überaus inspirierende Erfahrung, von der ich denke, dass sie mich auch in meinem weiteren Schaffen prägen wird.
  
lch bereue meinen Korea aufenthalt nicht im mindesten, es wird einer der besonderen Momente meines Studiums sein, in dem ich viel über mich und meine Kunst gelernt habe. lch bin an mir selber gewachsen und so ist es auch meine Kunst, da sie ein Produkt von mir. Genauso, wie ich mir erhoffe, ein grosseres Bewusstsein zu erlangen und mich in dieser Welt zu positionieren, so wird es auch meine Kunst tun.
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lch bereue meinen Korea aufenthalt nicht im mindesten, es wird einer der besonderen Momente meines Studiums sein, in dem ich viel über mich und meine Kunst gelernt habe. lch bin an mir selber gewachsen und so ist es auch meine Kunst, da sie ein Produkt von mir. Genauso wie ich mir erhoffe ein grässeres Bewusstsein zu erlangen und mich in dieser Welt zu positionieren, so wird es auch meine Kunst tun.
 
[[Category:BA Ani Exchange Report]]
 
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Revision as of 01:00, 21 June 2019

Kutay Zaide, Erfahrungsbericht, Korea National University of Arts, Seoul, 2.BA Animation, August 2016

안녕하세요. 잘 지냈어요? Hallo, wie geht's?

Korea?

Ja.

Nordkorea?

Wenn ich Leuten erzahlt habe, dass ich ein Semester lang eine Universität in Korea besuche, war dies normalerweise die erste Reaktion darauf. lch weiss nicht, ob man tatsächlich einen Auslandsaufenthalt im Rahmen eines universitären Austauschs in Nordkorea absolvieren kann - ich bezweifle es sehr - doch stand wohl der Norden der koreanischen Halbinsel bisher immer weitaus mehr im Zentrum internationaler Aufmerksamkeit als ihr Süden. Vollkommen unberechtigt! lch weiss nicht mehr, wann ich genau mit diesem Land in Kontakt kam, vielleicht vor 6/7 Jahren, da fing ich an, koreanische Fernsehserien zu schauen. Südkorea ist nicht gerade bekannt für seine Animationsfilme, aber, und viele wissen das nicht, hat eine wahnsinnig boomende Filmindustrie; die Qualitat ihrer Produkte ist beachtlich: Eine neue Welt eröffnete sich mir. In dieser neuen Welt gab es anders aussehende Menschen, eine andere Sprache, anderes Essen, eine andere Kultur. So wollte ich dieses Land, welches ich auch nur als entfernter Beobachter durch die Kamera gesehen hatte endlich kennenlernen.


Unsere Partnerschule, die Korea National University of Arts (KNUA) ist in Seoul, ungefahr 30 Minuten vom Stadtzentrum entfernt. Sie liegt etwas erhöht; auf dem Gelande befinden sich die School of Film, TV & Multimedia, die School of Drama, School of Visual Arts, School of Korean Traditional Arts, diverse Ateliers, ein Studentenwohnheim und ein Park mit einer alten Grabstätte. In der Umgebung befinden sich weitere Universitäten und obwohl abseits des touristischen Trubels, gibt es viele nette und ausgesprochen gute Restaurants, die mit fantastischem Essen aufwarten konnen. Wir zwei von der Animation, Isabella und ich, waren zusammen mit Angelina, auch von der HSLU, aus K&V, in einem Zimmer im Studentenwohnheim einquartiert; trotz allem wir uns zu dritt das Zimmer teilen mussten, gab es nie Probleme. lnsgesamt waren an der Schule nicht viele Austauschstudenten, wir waren nur neun, davon vier Schweizer.

Meine Ankunft in Seoul war nicht unbedingt der beste Start, den man sich vorstellen kann. Der Flug ging über London und die Flugzeit alleine betrug etwa 14 Stunden. lch hatte gehofft, im Flugzeug etwas schlafen zu können, doch war mir das unmoglich gewesen und so kam ich in lncheon, Seoul, aufgeregt, aber völlig übermüdet an. Da half auch nicht viel, dass ich am gleichen Tag mit dem ganzen Gepäck noch zur Schule zum Kurseinschreiben und danach das Hostel suchen musste - beide Orte zu diesem Zeitpunkt wahnsinnig schwer zu finden und dann war da noch das unglaublich frostig Wetter, das mir durch Mark und Bein ging. lch erinnere mich noch gut daran, ebenso gut wie an die unsagbar heisse und schwüle Suppe im Sommer, die ich jetzt zum Glück hinter mir lassen konnte. Wenn ich eines sagen kann, dann ist es das, was für mich am meisten Korea ausmacht: Der Winter eiskalt, der Sommer schweisstreibend heiss... die Menschen unsäglich schüchtern, doch auch ungeahnt gesprächig, anstrengend oberflächlich, aber tiefsinnig ohne Boden - Korea ist extrem. Korea ist auch ein Land, das irgendwo zwischen unserem westlichen lndividualismus und dem asiatischen Kollektivismus hängt, ein Land, das zu schnell gewachsen ist, so schnell, dass irgendwie die alten Werte und Traditionen nicht haben mithalten konnen und die Kinder nicht mehr die Eltern verstehen. lch habe den Eindruck, dass die Gesellschaft noch nicht genau weiss, wohin mit sich. lch war erstaunt, wie viele meiner Mitstudenten sich gar hasserfüllt über ihr eigenes Land und die politischen Zustande äussern und mich fragten, ob ich meinen Aufenthalt an ihrer Schule bereue. Und diese Mitstudenten, die so normal aussahen wie alle anderen Koreaner, forderten derartig düstere und reflektiv-kritische Geschichten zu Tage, die mich über alle Masse beeindruckten und ich immer noch rätseln muss, woher das kommt.

Kommunikation im Allgemeinen gestaltete sich überraschenderweise sehr kompliziert - die Koreaner sprechen nicht gerne Englisch, viele können es nicht, viele haben Komplexe, als Ausländer ist man daher schnell isoliert. lch bin froh, dass ich die Kurse zusammen mit Isabella besucht habe und wir somit immer zu zweit waren. Das soll aber gar nicht heissen, dass die Menschen hier unfreundlich sind, ganz im Gegenteil. Nachdem wir mit dem Animationsjahrgang essen und trinken waren, hat sich die Stimmung auch sofort entspannt. Vom Alkohol gelöste Zungen waren plötzlich des Englischen mächtig und wir konnten uns gut mit unseren Kommilitonen unterhalten.

Die Studiengänge der KNUA haben für den Bachelor vier Jahre zur Verfügung und ich sehe jetzt auch den Unterschied im Vergleich zu uns. Die Studenten der Animation haben mehr Zeit das Handwerk der Animation intensiver zu erlernen und setzen sich dabei mit mehr Techniken und Programmen auseinander - was nur von Vorteil sein kann! Obwohl technisch wesentlich schlechter ausgerüstet als bei uns, erforderte dies zwar etwas Gewöhnung, allerdings konnte ich Kurse besuchen, die mir an unserer Schule nicht zur Verfügung stehen und Programme lernen, die mir als 2D-Studentin normalerweise nicht gezeigt worden wären. Durch den ungewohnt hohen Anteil Theorie im regulären Unterricht gab es vor allem am Anfang eine recht lange Durststrecke (da nur auf koreanisch) - in der ich aber erfolgreich mein Skizzenbuch vorantreiben konnte. Nach etwa zwei Monaten mehrheitlich Theorie folgten zwei Monate intensiver praktischer Arbeit. lch habe den Eindruck, dass die Koreaner der Quantität mehr Wichtigkeit zukommen lassen als der Qualität und so hatte ich in allen vier Fächern etwa zur gleichen Zeit Abgaben und Deadlines - ich glaube wirklich, ich habe noch nie so viel gemacht, wie in diesem Semester! Die Koreaner arbeiten viel und hart; als Austauschstudent ist man in der Hinsicht vielleicht etwas aussen vor, doch entschied ich mich, wenn ich denn nun schon da war, die Situation in der Schule auch voll auszunützen und mich dem gleichen Pensum und Druck wie meine Mitstudenten auszusetzen. Es hat sich für mich gelohnt. lch kann nicht wirklich einschätzen, ob die Qualitat meiner Arbeiten besonders war - auch hier, aufgrund der sprachlichen Mitteilungsprobleme hinsichtlich der Dozenten gab es für uns selten brauchbares Feedback, doch war es vielleicht auch genau dieser Umstand, der mich gezwungen hat selbstständiger und selbstbewusster an das Arbeiten zu gehen und zu reflektieren. Was für und wie meine koreanischen Mitstudenten Geschichten erzählen war für mich überdies eine überaus inspirierende Erfahrung, von der ich denke, dass sie mich auch in meinem weiteren Schaffen prägen wird.

lch bereue meinen Korea aufenthalt nicht im mindesten, es wird einer der besonderen Momente meines Studiums sein, in dem ich viel über mich und meine Kunst gelernt habe. lch bin an mir selber gewachsen und so ist es auch meine Kunst, da sie ein Produkt von mir. Genauso wie ich mir erhoffe ein grässeres Bewusstsein zu erlangen und mich in dieser Welt zu positionieren, so wird es auch meine Kunst tun.