2016 - Student Exchange Report - Korea National University of Arts - Kutay Zaide

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Kutay Zaide, Erfahrungsbericht, Korea National University of Arts, Seoul, 2.BA Animation, August 2016

Hallo, wie geht's?

Korea?

Ja.

Nordkorea?

Wenn ich Leuten erzahlt habe, dass ich ein Semester lang eine Universitat in Korea besuche, war dies normalerweise die erste Reaktion darauf. lch weiss nicht, ob man tatsachlich einen Auslandsaufenthalt im Rahmen eines universitaren Austauschs in Nordkorea absolvieren kann - ich bezweifle es sehr - , doch stand wohl der Norden der koreanischen Halbinsel bisher immer weitaus mehr im Zentrum internationaler Aufmerksamkeit als ihr Suden. Vollkommen unberechtigt! lch weiss nicht mehr, wann ich genau mit diesem Land in Kontakt kam, vielleicht vor 6/7 Jahren, da fing ich an, koreanische Fernsehserien zu schauen. Sudkorea ist nicht gerade bekannt fUr seine Animationsfilme, aber, und viele wissen das nicht, hat ein wahnsinnig boomende Filmindustrie; die Qualitat ihrer Produkte ist beachtlich: Eine neue Welt eroffnete sich mir. In dieser neuen Welt gab es anders aussehende Menschen, eine andere Sprache, anderes Essen, eine andere Kultur. So wollte ich dieses Land, welches ich auch nur als entfernter Beobachter durch die Kamera gesehen hatte endlich kennenlernen.


Unsere Partnerschule, die Korea National University of Arts (KNUA) ist in Seoul, ungefahr 30 Minuten vom Stadtzentrum entfernt. Sie liegt etwas erhoht; auf dem Gelande befinden sich die School of Film, TV & Multimedia, die School of Drama, School of Visual Arts, School of Korean Traditional Arts, diverse Ateliers, ein Studentenwohnheim und ein Park mit einer alten Grabstatte. In der Umgebung befinden sich weitere Universitaten und obwohl abseits des touristischen Trubels, gibt es viele nette und ausgesprochen gute Restaurants, die mit fantastischem Essen aufwarten konnen. Wir zwei von der Animation, Isabella und ich, waren zusammen mit Angelina, auch von der HSLU, aus K&V, in einem Zimmer im Studentenwohnheim einquartiert; trotz allem wir uns zu dritt das Zimmer teilen mussten, gab es nie Probleme. lnsgesamt waren an der Schule nicht viele Austauschstudenten; wir waren nur neun, davon vier Schweizer.

Meine Ankunft in Seoul war nicht unbedingt der beste Start, den man sich vorstellen kann. Der Flug ging uber London und die Flugzeit alleine betrug etwa 14 Stunden. lch hatte gehofft, im Flugzeug etwas schlafen zu konnen, doch war mir das unmoglich gewesen und so kam ich in lncheon, Seoul, aufgeregt, aber vollig ubermudet an. Da half auch nicht viel, dass ich am gleichen Tag mit dem ganzen Gepack noch zur Schule zum Kurseinschreiben und danach das Hostel suchen musste - beide Orte zu diesem Zeitpunkt wahnsinnig schwer zu finden und dann war da noch das unglaublich frostig Wetter, das mir durch Mark und Bein ging. lch erinnere mich noch gut daran, ebenso gut wie an die unsagbar heisse und schwule Suppe im Sommer, die ich jetzt zum Glück hinter mir lassen konnte. Wenn ich eines sagen kann, dann ist es das, was fUr mich am meisten Korea ausmacht: Der Winter eiskalt, der Sommer schweisstreibend heir.., die Menschen unsaglich schüchtern, doch auch ungeahnt gesprachig, anstrengend oberflachlich, aber tiefsinnig ohne Boden - Korea ist extrem. Korea ist auch ein Land, das irgendwo zwischen unserem westlichen lndividualismus und dem asiatischen Kollektivismus hangt, ein Land, das zu schnell gewachsen ist, so schnell, dass irgendwie die alten Werte und Traditionen nicht haben mithalten konnen und die Kinder nicht mehr die Eltern verstehen. lch habe den Eindruck, dass die Gesellschaft noch nicht genau weiss, wohin mit sich. lch war erstaunt, wie viele meiner Mitstudenten sich gar hasserfOllt Ober ihr eigenes Land und die politischen Zustande aussern und mich fragten, ob ich meinen Aufenthalt an ihrer Schule bereue. Und diese Mitstudenten, die so normal aussahen, wie alle anderen Koreaner, forderten derartig dOstere und reflektiv-kritische Geschichten zu Tage, die mich Ober alle Masse beeindruckten und ich immer noch ratseln muss, woher das kommt.

Kommunikation im Allgemeinen gestaltete sich Oberraschenderweise sehr kompliziert - die Koreaner sprechen nicht gerne Englisch, viele konnen es nicht, viele haben Komplexe, als Auslander ist man daher schnell isoliert. lch bin froh, dass ich die Kurse zusammen mit Isabella besucht habe und wir somit immer zu zweit waren. Das soll aber gar nicht heissen, dass die Menschen hier unfreundlich sind, ganz im Gegenteil. Nachdem wir mit dem Animationsjahrgang essen und trinken gegangen sind, hat sich die Stimmung auch sofort entspannt. Vom Alkohol geloste Zungen waren plotzlich des Englischen machtig und wir konnten uns gut mit unseren Kommilitonen unterhalten.

Die Studiengange der KNUA haben fUr den Bachelor vier Jahre zur VerfOgung und ich sehe jetzt auch den Unterschied im Vergleich zu uns. Die Studenten der Animation haben mehr Zeit, das Handwerk der Animation intensiver zu erlernen und setzen sich dabei mit mehr Techniken und Programmen auseinander- was nur von Vorteil sein kann! Obwohl technisch wesentlich schlechter ausgerüstet als bei uns, erforderte dies zwar etwas Gewohnung, allerdings konnte ich Kurse besuchen, die mir an unserer Schule nicht zur VerfOgung stehen und Programme lernen, die mir als 2D-Studentin normalerweise nicht gezeigt warden waren. Durch den ungewohnt hohen Anteil Theorie im regularen Unterricht gab es vor allem am Anfang eine recht lange Durststrecke (da nur auf koreanisch) - in der ich aber erfolgreich mein Skizzenbuch vorantreiben konnte. Nach etwa zwei Monaten mehrheitlich Theorie folgten zwei Monate intensiver praktischer Arbeit. lch habe den Eindruck, dass die Koreaner der Quantitat mehr Wichtigkeit zukommen lassen als der Qualitat und so hatte ich in allen vier Fachern Abgaben und Deadlines etwa zur gleichen Zeit - ich glaube wirklich, ich habe noch nie so viel gemacht, wie in diesem Semester! Die Koreaner arbeiten viel und hart; als Austauschstudent ist man in der Hinsicht vielleicht etwas aussen vor, doch entschied ich mich, wenn ich denn nun schon da war, die Situation in der Schule auch voll auszunutzen und mich dem gleichen Pensum und Druck wie meine Mitstudenten auszusetzen. Es hat sich tor mich gelohnt. lch kann nicht wirklich einschatzen, ob die Qualitat meiner Arbeiten besonders war- auch hier, aufgrund der sprachlichen Mitteilungsprobleme hinsichtlich der Dozenten gab es fUr uns selten brauchbares Feedback, doch war es vielleicht auch genau dieser Umstand, der mich gezwungen hat selbststandiger und selbstbewusster an das Arbeiten zu gehen und zu reflektieren. Was tor und wie meine koreanischen Mitstudenten Geschichten erzahlen war tor mich Oberdies eine Oberaus inspirierende Erfahrung, von der ich denke, dass sie mich auch in meinem weiteren Schaffen pragen wird.

lch bereue meinen Koreaaufenthalt nicht im mindesten, es wird einer der besonderen Momente meines Studiums sein, in dem ich viel Ober mich und meine Kunst gelernt habe. lch bin an mir selber gewachsen und so ist es auch meine Kunst, da sie ein Produkt von mir. Genauso, wie ich mir erhoffe, ein grosseres Bewusstsein zu erlangen und mich in dieser Welt zu positionieren, so wird es auch meine Kunst tun.