Difference between revisions of "2019 - Student Exchange Report - The Animation Workshop - Bienz Jonas"

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'''Attention''': this report is considered an Internship since the course taken is part of a professional training programme and not part of a BA curriculum.
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=== Der ehrliche Grund? ===
 
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Knackpunkt war wohl, dass der Kurs auch als ein Open Education Programm<sup>1</sup> für Professionelle zugänglich gemacht wurde, natürlich unter Berücksichtigung eines – zumindest für Verdiener – attraktiven Kostenpunkts. In den Mühlen der Schweizer Hochschulbürokratie und Erasmus wurde ich, mittelloser Student, der ich bin, ebenfalls als externer Teilnehmer behandelt und musste die Kurskosten von 3650 Euro aus dem ersparten Taschengeld seit dem Gymnasium und dem Sklavenlohn, den sie mir als Kellner im Casinotheater Winterthur zahlten zusammenkratzen. Darum mein etwas trotziges Fazit: Die Schule hat bei mir gespart und bekommt als Gegenleistung einen ausführlichen Praktikumsbericht, welcher sich aus Ermangelung eines anderen Subjekts kritisch mit dem Hochschulsystem auseinandersetzt.<sup>2</sup>
 
Knackpunkt war wohl, dass der Kurs auch als ein Open Education Programm<sup>1</sup> für Professionelle zugänglich gemacht wurde, natürlich unter Berücksichtigung eines – zumindest für Verdiener – attraktiven Kostenpunkts. In den Mühlen der Schweizer Hochschulbürokratie und Erasmus wurde ich, mittelloser Student, der ich bin, ebenfalls als externer Teilnehmer behandelt und musste die Kurskosten von 3650 Euro aus dem ersparten Taschengeld seit dem Gymnasium und dem Sklavenlohn, den sie mir als Kellner im Casinotheater Winterthur zahlten zusammenkratzen. Darum mein etwas trotziges Fazit: Die Schule hat bei mir gespart und bekommt als Gegenleistung einen ausführlichen Praktikumsbericht, welcher sich aus Ermangelung eines anderen Subjekts kritisch mit dem Hochschulsystem auseinandersetzt.<sup>2</sup>
 
<small>1. Open Education ist ein Bildungsprogramm in Dänemark, dass es Erwachsenen erlaubt, sich an bestimmten Hochschulangeboten zu beteiligen, Zwecks Training beziehungsweise Weiterbildung</small>
 
 
<small>2. Anmerkung: Eigentlich würde es mir ja schon vollkommen genügen, wenn im Kurrikulum eine besser entsprechende Bezeichnung für den Kurs stehen würde als plump Praktikum. Oder wie wäre es mit einer Mail gewesen: Jonas, du musst einen Bericht über dieses freakige Programm, das du besucht hast schreiben?</small>
 
  
 
=== Das IDA-Drama ===
 
=== Das IDA-Drama ===
 
Geduldige Leserin, geduldiger Leser, aber ich hatte gar keine andere Wahl als mich für genau diesen Kurs eintragen zu lassen. Vergleichbar mit dem Deus ex machina in den antiken Dramen tauchte die Möglichkeit aus den Tiefen des Internets auf und errettete mich in letzter Sekunde aus den Fesseln des Interdisziplinaritätsbasilisken, IDA, der Hochschule Luzern.<sup>3</sup> Denn in der Welt der Kunsthochschulen herrscht ein erbitterter Kampf zwischen den Holisten und den Spezialisten. Während die Holisten viel Wert auf eine ganzheitliches Studium der gestalterischen Künste legen, versuchen die Spezialisten ihre Bestimmung durch die Versenkung in nur einen, ihnen zubetestimmten Aspekt der Kunst zu finden. Jeweils im Frühjahr erwacht die holistische IDA-Schlange aus ihrer Winterstarre und versucht unachtsame Studenten in ihr Nest zu zerren. Getarnt als exotische Kunsttechnik lockt sie mit dem Versprechen gestalterischer Erfüllung. Doch einmal mit den anderen Studierenden zusammengepfercht, platzten die schönen Illusionsblasen, welche ihre Köpfe umhüllen, da jeder Studierende mit einer anderen Idee um sich sticht, die sie oder er in den Augen des Reptils sah. Nur mit Spezialistenkräften ist dem holistisch schimmernden Basilisken beizukommen. Ich schäme mich es zuzugeben, doch für mich, einen Novizen des Houdini, dessen Kräfte noch nicht erblüht waren, war die Flucht in ein fernes Sanktuarium der Spezialisten die einzige Möglichkeit, den Kampf zu überstehen und in den Künsten gestärkt an die Hochschule Luzern zurückzukehren.
 
Geduldige Leserin, geduldiger Leser, aber ich hatte gar keine andere Wahl als mich für genau diesen Kurs eintragen zu lassen. Vergleichbar mit dem Deus ex machina in den antiken Dramen tauchte die Möglichkeit aus den Tiefen des Internets auf und errettete mich in letzter Sekunde aus den Fesseln des Interdisziplinaritätsbasilisken, IDA, der Hochschule Luzern.<sup>3</sup> Denn in der Welt der Kunsthochschulen herrscht ein erbitterter Kampf zwischen den Holisten und den Spezialisten. Während die Holisten viel Wert auf eine ganzheitliches Studium der gestalterischen Künste legen, versuchen die Spezialisten ihre Bestimmung durch die Versenkung in nur einen, ihnen zubetestimmten Aspekt der Kunst zu finden. Jeweils im Frühjahr erwacht die holistische IDA-Schlange aus ihrer Winterstarre und versucht unachtsame Studenten in ihr Nest zu zerren. Getarnt als exotische Kunsttechnik lockt sie mit dem Versprechen gestalterischer Erfüllung. Doch einmal mit den anderen Studierenden zusammengepfercht, platzten die schönen Illusionsblasen, welche ihre Köpfe umhüllen, da jeder Studierende mit einer anderen Idee um sich sticht, die sie oder er in den Augen des Reptils sah. Nur mit Spezialistenkräften ist dem holistisch schimmernden Basilisken beizukommen. Ich schäme mich es zuzugeben, doch für mich, einen Novizen des Houdini, dessen Kräfte noch nicht erblüht waren, war die Flucht in ein fernes Sanktuarium der Spezialisten die einzige Möglichkeit, den Kampf zu überstehen und in den Künsten gestärkt an die Hochschule Luzern zurückzukehren.
 
<small>3. IDA-Module (Interdisciplinarity in Design and Arts): Das Departement Design & Kunst der Hochschule Luzern ist stolz darauf, hohen Wert auf den interdisziplinären Austausch zwischen den breit angelegten Studiengebieten zu legen. Deshalb sind in den ersten zwei Jahren studiengangsübergreifend zwei Blöcke jeweils im Frühlingssemester den IDA-Module bestimmt. Dort treffen Studierende aller elf Studienrich</small>
 
  
 
=== Houdini im Showroom ===
 
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=== Danke, darum war ich fort! ===
 
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Jonas Bienz
 
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<small>1. Open Education ist ein Bildungsprogramm in Dänemark, dass es Erwachsenen erlaubt, sich an bestimmten Hochschulangeboten zu beteiligen, Zwecks Training beziehungsweise Weiterbildung</small>
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<small>2. Anmerkung: Eigentlich würde es mir ja schon vollkommen genügen, wenn im Kurrikulum eine besser entsprechende Bezeichnung für den Kurs stehen würde als plump Praktikum. Oder wie wäre es mit einer Mail gewesen: Jonas, du musst einen Bericht über dieses freakige Programm, das du besucht hast schreiben?</small>
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<small>3. IDA-Module (Interdisciplinarity in Design and Arts): Das Departement Design & Kunst der Hochschule Luzern ist stolz darauf, hohen Wert auf den interdisziplinären Austausch zwischen den breit angelegten Studiengebieten zu legen. Deshalb sind in den ersten zwei Jahren studiengangsübergreifend zwei Blöcke jeweils im Frühlingssemester den IDA-Module bestimmt. Dort treffen Studierende aller elf Studienric</small>

Revision as of 11:24, 12 September 2019

Bienz Jonas, Studienjahr 2018-2019, Partnerhochschule: The Animation Workshop

This report is considered an Internship since the course taken is part of a professional training programme and not part of a BA curriculum.

Houdini & Simulation for Film and Games

Vorwort

Heureka, der Placempus wurde geboren! – Wie bitte? Du weisst nicht, was der Placempus ist? Aber das ist ja eine unverantwortbare Bildungslücke, möchte ich meinen. Sei jedoch unbesorgt, geschätzte Leserin, geschätzter Leser, es wird dem folgenden Praktikumsbericht zu entnehmen sein. Allerdings, so muss ich entschuldigend anmerken, wird es nicht ohne Umschweife passieren können. Lass es mich so beschreiben, der hier vorliegende Bericht ist wie eine Bergbesteigung: Vielleicht etwas anstrengend und nicht immer gerade aus, aber am Ende hat es sich gelohnt. Der Weg ist das Ziel…

Textgehalt

Tatsächlich verbirgt sich bereits im letzten Absatz der erste Stolperstein, genauer gesagt im Bestimmungswort des Kompositums Praktikumsbericht, also dem Praktikum darin. Dieser Text soll – wie ich hier klar betonen möchte – durchaus den Informationsgehalt und analytischen Wert eines Praktikumsberichts haben. Er kann aber bedauerlicherweise nicht anders, als sich verlegen um den beruflichen Praxisteil herumzuschlängeln. Bei der Institution im dänischen Viborg, wo ich mich im Frühling dieses Jahres aufhielt, handelt es sich nämlich nicht um eine Animationsfirma oder dergleichen, sondern um eine Lehranstalt.

VIA und TAW-BA

The Animation Workshop, oder kurz TAW, ist ein Hochschuldepartement des VIA University College, ziemlich genau so wie Design & Kunst ein Departement der Hochschule Luzern ist. Im internationalen Ranking der Animationsschulen 2019 von Animation Career Review liegt TAW hingegen auf dem beachtlichen neunten Platz. Das erstaunt wenig, denn der Name der Schule ist dort Programm. Es werden nur drei – jedoch vierjährige – Bachelorprogramme angeboten, namentlich: Character Animation (CA), Computer Graphics Art (CGA) und Graphic Storytelling (GS). Und alle drei vermitteln spezialisierte Kompetenzen, die bei der Produktion von industriereifen Animationsfilmen vorhanden sein müssen. Kurzum, wer Animationsfilme für Kino und Fernsehen machen will, der will zu TAW.

BA Symbiose bei TAW

Der Studienplan sieht zudem vor, dass die Studiengänge CA und CGA sich für die Bachelorprojekte zusammenschliessen. Es handelt sich sozusagen um zwei symbiotische Studiengänge. Dem Ruf von TAW in Annecy zufolge, könnte es unter Umständen auch nicht schaden, die GS Studierenden auch noch mit ins Boot zu holen. Den Bachelorfilmen von Viborg wird nämlich bisher mehr Beachtung für ihre technische Finesse geschenkt, als für die Originalität der Geschichten. Nicht, dass eine solche Aufteilung in spezialisierte Studiengänge die einzig Erfolg versprechende Lösung ist. Die HSLU bietet einen Animationsstudiengang mit einem holistischen Ansatz an und auch dort finden immer wieder einige Filme ihren Weg in diverse Festivalprogramme.

Wohin mit mir?

Nun gilt es über mich zu wissen, dass ich mich nicht direkt zu dieser Animationsfilm und Festival fokussierten Gattung zählen würde. Meine Interessen sind eher im Gamingbereich, beim Motion Design und der interaktiven Computerkunst angesiedelt. Ich bin Technik fokussiert und meine Ideen haben immer etwas mit Realismus und Abstraktion zu tun, nicht mit Trickfilmfiguren. Zumindest bewog mich keiner obigen Studiengänge dazu, mein gemütliches Zuhaue in Luzern zu verlassen, was für dich, liebe Leserin, lieber Leser, unschwer an der Tatsache erkennbar sein dürfte, dass dies – wie erwähnt – auch kein Austausch-, sondern ein Praktikumsbericht ist. Wenn du nun gut kombiniert hast, könntest du zum Schluss gekommen sein, dass ich dort folglich als Assistenzlehrer oder dergleichen tätig gewesen sein müsste. Schliesslich ist das Schweizer Bildungssystem allen anderen um Jahrzehnte voraus und die Anforderungen an Dozenten im Ausland demnach weniger streng. In der Realität sieht es leider etwas anders aus. Mit andern Worten: Nein, ich war trotz Kurrikulumsstempel Praktikum eindeutig als blauäugiges Studentlein dort.

Formale Kursfakten

Der Grund, weswegen mein Aufenthalt nicht als Austausch, sondern als Praktikum in meine Studiumskarriere einzufliessen hat, ist eigentlich nicht logisch begründbar. Der professionelle Trainingskurs Houdini & Simulation for Film and Games für welchen ich mich begeistern konnte, ist offiziell ein zwölf wöchiges Modul im Angebot des CGA-Bachelorprogramms. Der Arbeitsaufwand wurde auf 30 ECTS Punkte eingestuft, was dem empfohlenen Durchschnittspensum eines Semesters entspricht. Und die aus Vancouver und Los Angeles eingeflogenen Lehrer, die allesamt sowohl an grossen Filmproduktionen beteiligt waren, als auch ihr grundlegendes Fachwissen und didaktische Finesse schon international bewiesen, sind sakrosankt in meinen Augen.

Der ehrliche Grund?

Knackpunkt war wohl, dass der Kurs auch als ein Open Education Programm1 für Professionelle zugänglich gemacht wurde, natürlich unter Berücksichtigung eines – zumindest für Verdiener – attraktiven Kostenpunkts. In den Mühlen der Schweizer Hochschulbürokratie und Erasmus wurde ich, mittelloser Student, der ich bin, ebenfalls als externer Teilnehmer behandelt und musste die Kurskosten von 3650 Euro aus dem ersparten Taschengeld seit dem Gymnasium und dem Sklavenlohn, den sie mir als Kellner im Casinotheater Winterthur zahlten zusammenkratzen. Darum mein etwas trotziges Fazit: Die Schule hat bei mir gespart und bekommt als Gegenleistung einen ausführlichen Praktikumsbericht, welcher sich aus Ermangelung eines anderen Subjekts kritisch mit dem Hochschulsystem auseinandersetzt.2

Das IDA-Drama

Geduldige Leserin, geduldiger Leser, aber ich hatte gar keine andere Wahl als mich für genau diesen Kurs eintragen zu lassen. Vergleichbar mit dem Deus ex machina in den antiken Dramen tauchte die Möglichkeit aus den Tiefen des Internets auf und errettete mich in letzter Sekunde aus den Fesseln des Interdisziplinaritätsbasilisken, IDA, der Hochschule Luzern.3 Denn in der Welt der Kunsthochschulen herrscht ein erbitterter Kampf zwischen den Holisten und den Spezialisten. Während die Holisten viel Wert auf eine ganzheitliches Studium der gestalterischen Künste legen, versuchen die Spezialisten ihre Bestimmung durch die Versenkung in nur einen, ihnen zubetestimmten Aspekt der Kunst zu finden. Jeweils im Frühjahr erwacht die holistische IDA-Schlange aus ihrer Winterstarre und versucht unachtsame Studenten in ihr Nest zu zerren. Getarnt als exotische Kunsttechnik lockt sie mit dem Versprechen gestalterischer Erfüllung. Doch einmal mit den anderen Studierenden zusammengepfercht, platzten die schönen Illusionsblasen, welche ihre Köpfe umhüllen, da jeder Studierende mit einer anderen Idee um sich sticht, die sie oder er in den Augen des Reptils sah. Nur mit Spezialistenkräften ist dem holistisch schimmernden Basilisken beizukommen. Ich schäme mich es zuzugeben, doch für mich, einen Novizen des Houdini, dessen Kräfte noch nicht erblüht waren, war die Flucht in ein fernes Sanktuarium der Spezialisten die einzige Möglichkeit, den Kampf zu überstehen und in den Künsten gestärkt an die Hochschule Luzern zurückzukehren.

Houdini im Showroom

Doch was ist Houdini eigentlich? Die sich in Toronto befindende Firma SideFX entwickelt seit 1996 ihre 3D-Animationssoftware Houdini und hat beim halbjährliche Release im März 2019 bereits Version 17.5 herausgebracht. Houdini unterscheidet sich von anderen Softwarelösungen wie Maya, Cinema4D, 3DSMax oder Blender durch ihren komplett prozeduralen Workflow. Dieses Konzept ist besonders bei der Gestaltung von realistischen physikalischen Simulationen wie Wasser, Feuer, Zerstörungen aller Art und sich deformierenden Gegenständen von grossem Nutzen. Deshalb ist Houdini zum heutigen Zeitpunkt die Markführende Softwarelösung für photorealistische visuelle Effekte und wird durchgehend in allen grossen Studios von Double Negative bis DreamWorks Animation verwendet.

Die Houdini Krux

Allerdings gilt die Lernkurve für Houdini als eine der steilsten in der ganzen Computer Graphics Industrie. Dies liegt unter anderem an besagtem Workflow, der weniger der Arbeit eines klassischen Künstlers ähnelt, als viel mehr dem schreiben eines Programmierscrips. Umso wichtiger ist es für Künstler, die sich Houdinikompetenzen aneignen wollen, ein Basiswissen in Computer Graphics, Coding, linearer Algebra und analytischer Geometrie zu haben. Ein grosser Teil der Arbeit mit Houdini besteht darin Vektoroperationen durchzuführen und veränderbare Parameter zu schaffen, die der Gestaltung des gewünschten Effekts dienen. Künstler scheitern an Houdini, weil sie diese technischen Grundlagen nicht verstehen, somit keine kreative Freiheit erlangen und für immer und ewig nur Tutorials befolgen können, womit sie nur die kreative Arbeit anderer kopieren.

Lern Teaser

Zu siebt sassen wir mit brennenden Köpfen vor den gestochen scharfen 4K-Bildschirmen, die mit brandneuen, extra für unseren Kurs angeschafften Werkstationen verbunden waren und brachten bunte Vektoren dazu einmal in die eine und einmal in die andere Richtung zu zeigen. Vier dieser Computerplätze im Klassenzimmer waren noch frei, denn mehr Leute hatten sich für den professionelle Trainingskurs Houdini & Simulation for Film and Games, der zum ersten Mal stattfand nicht angemeldet. Kein Wunder eigentlich. – Denn was bringt es schon Tabellen anzuschauen und nur graue Punkte und Striche zu animieren? Dafür reicht doch auch der Laptop zuhause. Doch so begann es.

Die Crew

Wir waren eine bunt zusammengewürfelte Gruppe. Malte war erst neunzehn Jahre alt und ist aus Deutschland von seinen Eltern nach Viborg gefahren worden. Trotzdem hatte er schon mehr Erfahrung mit Wassersimulationen als jeder andere, den ich bis dahin gekannt hatte. Ich konnte ihn sogar als Helfer für den Animationsbachelorfilm Oneself vermitteln. Thom, der Holländer mit thailändischen Wurzeln ist drauf und dran nach seinem Philosophiestudium in die Visual Effects Branche einzusteigen und mit Houdini zu durchzustarten. Der Schwede Sebastian hatte nur Haare im Kopf. Die Haare auf seinem Kopf liess er achtlos länger werden, während er sich für zwölf Wochen mit der Simulation von Hundehaaren auf einem gehenden Modell beschäftigte. Marcello hatte bereits bei Double Negative und Weta Digital für so bekannte Filme wie Harry Potter und der Orden des Phönix oder Guardians oft he Galaxy Vol. 2 als Matchmover und Camera TD gearbeitet. Der Brasilianer trauerte gerade um seine verstorbene Mutter und wollte im Kurs etwas Neues lernen. Die einzige Frau im Kurs war Marta. Es gab jedoch keinen Hahnenkampf um die Kroatin, denn sie war nicht am anderen Geschlecht interessiert. Ihre Faszination galt anderen Würmern, bunten Würmern unter Wasser, die sie zu tausenden simulierte. Unterdessen baute der der bescheidene Moldauer Andrei eine atemberaubende Science Fiction Landschaft mit mystischen Wolken und Gräsern, die sich im Wind wiegen. Er hatte bereits am Visual Effects Kurs von TAW teilgenommen und kannte sich schon gut im Ort aus. Und dann war da ich, der Schweizer im Bunde, ein übereifriger, selbstkritischer Animationsstudent, der skurrile Ideen gebiert und unterdessen das eigene und das dortige Schulkonzept in Frage stellt. Am Animation Workshop waren wir die Aussenseiter, die Nerds unter den Nerds, die niemand kannte, ein kleines Grüppchen von Ausländern, diedas sich im hintersten Zimmer der Schule stundenlang vor ihren Computern verschanzte, Sumo Wettkämpfe schaute und auf dem alten Exerzierplatz um halb zwölf Uhr in den hellen Nächten des nordischen Frühlings noch Frisbee spielte.

Abnormal international

Auch unsere drei Lehrer kamen allesamt aus dem Ausland, wie ich bereits weiter oben einmal erwähnt habe. Nur der Leiter, der professionellen Kurse, Per, war Däne. Er kam wöchentlich vorbei, um unsere Fortschritte zu beobachten, nach dem Rechten zu sehen und unseren Kaffeevorrat aufzustocken. Ihn schien es nicht zu stören, dass kein einziger dänischer Student in unserer Truppe war. Noch heute kann ich die Skurrilität der Situation nicht begreifen. Doch da waren wir, wir die erste Simulationsklasse im provinziellen Viborg.

Viborg?

Viborg wäre eigentlich nicht der Ort, an dem man eine weltbekannte Animationsschule erwarten würde. Wäre sie in einer modernen und kulturell vielfältigen Metropole wie Kopenhagen, würde sich niemand wundern. Doch Viborg ist nur das verschlafene Verwaltungszentrum der gleichnamigen Kommune mit rund 100'000 Einwohnern in mitten des grünen Dänemarks. Es liegt an der Seeenge, die den Nørresø vom Søndersø trennt. Eine Autobrücke führt dort von der östlichen hinüber zur westlichen Seeseite, auf der das Städtchen mit leicht nordischem Flair angesiedelt ist.

Pärklein

Am See lädt ein malerisches Pärklein mit so manch knorrigem Baume zum Träumen an alte Sagen ein. Dorten es im Frühling unschuldig knospet und Enten unter Weidenästen nesten. Folgt man dann dem Weg hoch durch ein steiles Nebengässchen vorbei an gestrüppigen Gärten und Backsteinhäusern, so landet man bald vor dem massiven Dom zu Viborg.

Kirchlein

Die Frauenkirche steht vermutlich an einer Stelle wo sich dereinst ein heidnisches Heiligtum befand. Der romanische Bau wurde im siebzehnten Jahrhundert nach einem grossen Brand dezent barockig renoviert. Besonders bemerkenswert sind jedoch die szenischen Fresken im Inneren der Kirche von Joakim Skovgaard. Sie besitzen in meinen Augen einen ungewöhnlich mythischen Einschlag für Kirchenmalereien. Vermutlich entstand der Eindruck, da Skovgaard auch alttestamentarische Szenen in seinem Bildprogramm aufgegriffen hat. Ihm zum Danke wurde ein kleines Museum direkt beim Kirchplatz gewidmet.

Museümmchen

Die Ausstellung umfasst allerdings auf Joakims Wunsch hin nicht nur seine Werke, sondern auch jene anderer Familienangehörigen. Deren berühmtester Vertreter war P.C. Skovgaard, der als Urvater der dänischen Landschaftsmalerei gilt. So sind in der Ausstellung sowohl Landschaftsmalereien, als auch Bibelszenen vertreten. Von anderen Familienmitgliedern kamen auch noch (unter anderem) mythologische Bilder und Töpferwerk dazu, was trotz der geringen Grösse der Ausstellung und der wenig zeitgenössischen Kunst eine amüsantes Ensemble ergibt. Das Skovgaard Museum bietet die einzige Ausstellung in Dänemark die ausschliesslich einer Familie gewidmet ist.

Städtchen

In den gepflasterten Altstadtstrassen und Gässchen, die sich vom Kirchplatz aus erkunden lassen, findet sich, was zu erwarten wäre: eine beschauliche Anzahl zumeist überteuerter Kaffees, Friseure mit albernen Wortwitzen als Geschäftsnamen, unhygienisch wirkende Fastfoodecken und solche die gehen, zwei, drei spelunkige Pubs mit alten Säcken, die Zigarre rauchen und ihr Vierzehnuhrbier trinken, zwei, drei, Pubs in denen es auch später am Tag manchmal Studenten hat, allerlei Fachgeschäfte für Babykleidung, Esoterikbücher, Gartengeräte und Orthopädiebedarf. Da war also nichts, was sich unmittelbar von Schweizer Kleinstadtverhältnissen unterschied. Selbst die dänische Sprache hat eine ähnliche Melodie wie Schweizerdeutsch. Statt Danke sagt man dort Tak, statt Franken heisst es Krone und die Studenten gehen wie gesagt in die VIA statt an die HSLU.

Der VIA-Campus

Das Universitätsgelände des VIA University Colleges befindet sich etwas ausserhalb des Stadtzentrums, wo die Grundstücke mit grosszügig Raum zwischen den einzelnen Gebäuden bebaut werden, was es ermöglicht sich ungewohnt frei im Vergleich zur Schweiz im städtischen Raum zu bewegen. Zum Schulcampus in Viborg gehört ein moderner Bau, in dem alle Studiengänge, die nicht zu The Animation Workshop gehören untergebracht sind. Dieser befindet sich seit seiner Gründung 1988 unweit, jedoch abgesondert in drei länglichen alten Kasernenhäusern direkt neben einem grossen Exerzierplatz. Die Backsteinbaracken wurden nach Studiumsjahr aufgeteilt.

Tun bei TAW

Die anderen Lehrangebote sind über alle drei Gebäude verteilt. Es gibt einige Sommer- und Wochenendkurse, sowie Angebote für Kinder. Für dich, interessierte Praktikumsberichtleserin, oder männliche Form davon, soll hier speziell die Möglichkeit sich für eine Artist residency zu bewerben erwähnt sein. Künstlern, mit einem Traumprojekt wird Logie und schulische Infrastruktur zur freien Verfügung gestellt, um besagte Idee in präsentablen Zustand zu bringen. Das Modell wird Open Workshop genannt. Für Visuelle Effekt Künstler, die Zeit brauchen um technische Werkzeuge zu entwickeln, gibt es ein äquivalent, die VFX Residency. Mein Houdinikurs wird jedoch, wie bereits erwähnt, als Professional training angeboten. Davon gibt es mittlerweile ganze neun zur Auswahl (jedoch sind nicht alle wie der Houdinikurs mit ECTS Credits akkreditierbar). Durch die vielen Nischenangebote herrscht ein ständiger Strom von ein und ausgehenden Künstlern, was für viel Abwechslung sorgt und zum internationalen Austausch beiträgt.

Camp Logos

Der grosse Studentenheimkomplex, Camp Logos der zwischen dem modernen VIA-Gebäude und TAW errichtet wurde, wird somit rege frequentiert und diente all meinen Kommilitonen als Heim. Die Zimmer dort sind möbliert, jedoch mit keinerlei Wohnbedarf ausgestattet. Was dazu führte, dass ich noch am Abend meiner Ankunft das Brockenhaus vom Blauen Kreuz aufsuchte. Die dänischen Damen dort, verstehen zwar kein Wort Englisch Sie wissen jedoch auch so Bescheid und sind bei der Suche nach einer hübschen Kaffeetasse sehr hilfsbereit. Dank ihnen schaffte ich es am Montag, pünktlich um neun Uhr, im Klassenzimmer, dem hintersten Raum bei den Zweitjährlern, unverhungert den Unterricht anzutreten.

The Andrew Lowell

Solide und mit verschränkten Armen stand Andrew Lowell da. Sein bübisches Grinsen, mit dem er unter seinen schlohweissen, jedoch vollen Haaren in die Runde blickte, machte es komplett unmöglich sein Alter abzuschätzen. Etwas zwischen fünfunddreissig und sechzig musste es sein. Den gebürtigen Amerikaner, hatte es nach seinem Audio Production Studium in Missouri zuerst an die Westküste, nach Los Angeles verschlagen, bevor er weiter im Norden, in Vancouver Fuss fasste. Er bezeichnet sich als FX Trainer, Graphic Artist und Composer und trainiert Studenten und Professionelle seit über vierzehn Jahren in Computer Grafik.

Kurze Kursgeschichte

Andrew hat zusammen mit Per Kristensen, dem bereits erwähnten Leiter der Professional training Kurse, den neuen Houdini & Simulation für Film and Games ins Leben gerufen und gestaltet. Die Idee für den Kurs ging aus dem bereits etablierten viermonatigen Visual Effects Kurs hervor, an welchem Andrew jeweils eine zweiwöchige Einführung in Houdini gab. Die Einführung wurde aus dem Programm entfernt und stattdessen ein komplett neues Angebot geschaffen.

Simulation was?

Wie der Programmtitel bereits sagt, handelt es sich nicht um einen reinen Softwarekurs, sondern die wenig beachtete Simulation steht als künstlerische Technik an sich im Fokus. Das ist, was den Kurs bisher weltweit einzigartig macht. Wie bei der Animation gilt es das Auge auf bestimmte Gesetze der Simulation zu schulen, die unter anderem auf Noisemustern, Beschleunigung, Auflösung, Variation und Verteilung beruhen. Ein wichtiger Teil des Handwerks besteht aber auch darin, die Simulation so rechenunintensiv zu halten wie nur möglich, damit gut Iterationen daran durchgeführt werden können und die Renderzeiten am Ende klein bleiben.

Abläufe

Der Kurs wurde zum Zwecke uns dies alles zu vermitteln in vier Phasen aufgeteilt, während derer wir stetig neue Dinge dazu lernen, die uns bei der Vollendigung unseres persönlichen Simulationsprojekts, an denen wir jeweils nur halbtags arbeiteten halfen. Am Anfang bezog sich die Projektarbeit spezifisch auf Aufgaben, die aus den morgendlichen Vorlesungen hervor gingen, beispielsweise das Ermitteln und Austesten der richtigen Grössenverhältnisse (scale). Dabei hatten wir immer die Möglichkeit Fragen zu stellen. Ab dem Zeitpunkt wo die Frage immer projektspezifischer wurden, gestaltete Andrew persönliche Vorlesungen für jeden einzelnen, die man sich mitanhören durfte, wenn man wollte. Ansonsten wurde auch alles immer auf Video aufgenommen. Jeweils am Ende der Woche durften wir unsere Fortschritte vor der Klasse und einigen Besuchern präsentieren.

Phase I: Headstart

In der ersten Phase, die einen Monat andauerte, ging es darum die Basics von Houdini und des prozeduralen Workflows zu lernen und sich das spezifische Wissen anzueignen, welches für die eigene Simulation notwendig sein würde. Da ich mich dazu entschieden hatte, einen fiktiven Unterwasserorganismus zu gestalten, welcher mit verschiedenen Merkmalen bekannter Meereskreaturen ausgestattet war, fokussierte sich meine spezialisierte Recherche auf die Simulation von weichen Körpern (Softbodies). Das System in Houdini, das dafür seit Version 16.5 zur Verfügung steht, heisst Vellum. Es basiert auf der Position von Punkten auf der Geometrie (genannt Position Based Dynamics, kurz PBD bzw. xPBD) und ist deshalb viel schneller als die alte Finite Element Method, bei welcher die Geometrien – wie bei Volumes – in winzige Bausteine (Würfel oder Tetraeder) aufgeteilt werden müssen.

Idee eins plus eins

Ich interessiere mich also für wabbelige, schwabbelige Sachen im Grunde genommen. Doch nicht nur deswegen gefiel mir die Arbeit am Placempus sehr. Die vielen Muster, Formen, Farben und Materialeigenschaften unter Wasser – so dachte ich mir – liessen mir auch einen hohen kreativen Spielraum beim schreiben von prozeduralen Shaders für Mantra, der Houdini eigenen Renderengine. So entstand das Konzept und Gerüst für meine Arbeit nach einer grosszügigen Referenzsuche von realen Phänomenen und solider Skizzierarbeit.

Phase II: Feedback Exkurs

Die zweite Phase des Kurses diente dem Zweck unseren Simulationshorizont über Houdini hinaus auszubauen. Ein grosser Nachteil von Houdini ist, dass es nicht für die Wiedergabe in Echtzeit konzipiert ist, was für Simulationen, die auf Feedback beruhen, also immer vom vorangegangenen Simulationsframe abhängig sind und theoretisch unendlich weiterlaufen, ein echter Vorteil wäre. Deshalb fokussierten wir uns auf Software, die in Echtzeit operieren.

TochDesigner

TouchDesigner von Derivative ist ein VJ-Programm (VJ für Visual Jockey), das sich in einer frühen Entwicklungsphase von Houdini abgespalten hat. Verkaufspunkt der Software ist, dass sie jegliche Art und von Datenkanal in Echtzeit prozessiert und in gewünschter Form wieder ausspuckt. Tatsächlich sind die TouchDesigner Nodes, mit denen sich Kanäle verarbeiten lassen (ziemlich) genau die gleichen wie jene des CHOP-Kontexts (CHOP für Channel Operators) in Houdini.

Game Engine

Auch den physikalischen Werkzeugen der Game Engine Unity haben wir kurz unsere Aufmerksamkeit gewidmet. Der Vorteil einer Game Engine ist, dass es einen Player gibt, der mit den physikalischen Objekten interagieren kann. Ausserdem kann das Feeling einer Bewegung ausgetestet werden, wenn man die Beschleunigung und das Gewicht des spielbaren Charakters anpasst oder ihn ganz anderen Gesetzen der Physik unterwirft.

Mini Projekte

Einige von uns machten in dieser Phase Miniprojekte mit diesen Programmen, die zu ihren Houdiniprojekten passte. Ich selbst versuchte eine gute Schwimmmechanik für den Placempus zu entwickeln und übte so die Grundfunktionen von Unity. Ich wollte es allerdings nicht übertreiben, weil mir Filmausschnitt wichtiger war. Darum blieb es dabei. Zu diesem Zeitpunkt waren die meisten von uns schon sehr stark in die eigenen Projekte involviert.

Phase III: Young Mr. Code

Jéronimo Maggi ist ein Jahr jünger als ich. Er hat keinen höheren Schulabschluss und kommt aus dem Schwellenland Argentinien. Trotzdem wurde er von Andrew als Coding Lehrer in den darauf folgenden zwei Wochen eingesetzt. Denn was er an Schulbildung nicht genossen hat, macht er mit seiner gesammelten Erfahrung wett. Er arbeitet zur Zeit bei Method Studios als FX und Pipeline TD und veröffentlichte bereits Online Tutorials auf der renommierten Lernplattform fxphd. Elegant und extrem gut vorbereitet war er dazu in der Lage, uns in zwei Wochen die Grundbausteine für die Programmiersprachen Python und VEX in die Hände zu geben. Bei VEX handelt es sich um die lowlevel Programmiersprache, mit der sich in Houdini direkt Einfluss auf die prozessierten Geometrieattribute nehmen lässt. Somit hatten wir sowohl Einblick in eine lowlevel als auch eine highlevel Programmiersprache.

Zertifikatselitarismusexkurs

In meinen Augen ist Jéronimo der lebendige Beweis dafür, dass eine zu strikte Bürokratie im Bildungsbereich einer objektiven Qualitätskontrolle des Bildungsauftrags nicht förderlich ist. Genau wie bei der undifferenzierten Einstufung dieses Kurses als Praktikum seitens der HSLU, wäre bei Jéronimo eine subjektive Fähigkeitsbeurteilung unabdingbar. Ich, der ich von meinen Eltern immer zu hören bekommen musste, ich solle meine Matura machen, damit ich alle Wege später offen hätte, kann über diese Motivation etwas zu tun – der Auswahl wegen – nur noch den Kopf schütteln. Es ist ein Zermürbungssystem, das junge Leute dazu bringt, Dinge zu lernen aus Angst, sonst keinen Platz in der Welt zu finden. Es zwingt sie dazu ihre Zukunft zu planen, obwohl sie sich noch entwickeln wollen. Jenen jedoch, die sich nicht solchen Ängsten unterwerfen, sondern ihren Interessen nachgehen, werden später Steine in den Weg gelegt. Sie bräuchten nun jenes Zertifikat und diesen Stempel, den sie nicht haben. Das alles, weil sie mit siebzehn Jahren lieber am Computer Trickfilme gezeichnet haben, als französische Vokabeln Bulimie zu lernen. Ich persönlich weiss, von wem ich später unterrichtet werden wollen würde. Ich kann mich sogar an ein Gespräch mit dem Studiengangsleiter der Animation in Luzern, Jürgen Haas, erinnern in dem er darüber klagte, dass es für ihn bedauerlicherweise nicht möglich sei, den begabte Bachelorabgänger und Disney Pixar Praktikanten, Ramon Arango, als Aushilfslehrer, beziehungsweise künstlerische Assistenz einzustellen, weil ihm ein Masterabschluss fehle. Die dicken Fische, die sich durch Klauseln nicht von ihrer Passion abbringen lassen, gehen der Schule durch die Lappen. Was bleibt, sind übergebildete Laien, die spekulativ nützliches Wissen unterrichten, während sie selbst noch in die ferne schauen und vom grossen Showbusiness träumen. Disclaimer: Selbstverständlich ist dies eine Übertreibung, die nur zur Veranschaulichung dient, um gewisse Strukturen zu hinterfragen.

Phase IV: Fertig machen

In der vierten Phase ging es um die das Abschliessen der Projekte. Es gab weniger Vorträge und mehr individuelle Arbeit. Mit dem Wissen aus dem Coding Unterricht liessen sich einige Prozesse optimieren und Fehler beseitigen. Die Szenen wurden für das Rendering vorbereitet und geordnet, was eine der langweiligsten und konzentrationsintensivsten Aufgaben war, da es viele Faktoren zu beachten galt, die nur schwer unmittelbar zu überprüfen sind.

Abschliessen geniessen

Während wir auf die rendernden Bilder warten mussten, wir, die erste Houdiniklasse Viborgs, genossen wir noch die restliche Zeit miteinander, tranken Bier und brieten Würste draussen vor dem Klassenzimmer. Wir waren zusammengewachsen, denn wir hatten das Gefühl, dass wir alle gemeinsam an etwas besonderem Teil gehabt hatten, das uns für immer verbinden würde. Keiner von uns hatte das Gefühl, dass er oder sie bereits weit fortgeschritten wäre. Wir waren alle noch am Anfang. Aber es war ein aussergewöhnlicher Anfang und wohin jeden von uns dieser Anfang führen würde, das wird die Zukunft schon zeigen.

Epilog

Bereits im Auto von Sebastians Eltern, die mich für ein paar Tage zu sich nach Hause in Höllviken eingeladen hatten, geisterten mir Gedanken über die Zukunft im Kopf herum. Für Sebastian war alles klar. Er wollte einfach so schnell wie möglich einen Job haben, bei dem er so viel Haar wie nur möglich simulieren konnte. Ich dachte an meine angefangenes Animationsstudium, als ich meinen Blick in die Weite schweifen liess, während der Wagen mit der langen Øresundborn die Grenze zu Schweden überquerte. Der Placempus lebte. Wenn ich sofort ein Praktikum suchen würde, bestünde die Möglichkeit, dass mir danach gleich ein Job angeboten würde und ich nicht mehr an die Schule zurück musste. Doch damit würde ich mir. – Ja, was würde ich mir dadurch verbauen? Der Øresund liegt zwischen Malmö und Kopenhagen, dem Ort, wo The Animation Workshop eben genau nicht ist. Da merkte ich, dass mir das Schweizer Bildungswesen am Herzen liegt. Ich hatte nun schon seit ich sieben Jahre alt war daran teilgenommen – drei Viertel meines Lebens – und nie hatte es mich gereizt etwas anderes zu tun, als in die Schule zu gehen und zu lernen. Höllviken liegt nur sechsundzwanzig Fahrminuten von Malmö entfernt. Aber eins war mir nun klar geworden. Wenn ich etwas zur Bildung in der Schweiz beitragen wollte, musste ich zu erst die Schweiz und die Schule hinter mir lassen. Eine komplexe Industrie erwartet mich, deren Schweizer Kundschafter ich werden will.

Letzter Gedanke

Werdenwollen, das ist so eine Sache an sich. Ich denke es ist wichtig sich im klaren zu sein, dass man nie werden wollen muss und dass es keinen Sinn macht, wenn man werden wollen will. Es gibt nur Werdenwollen, sonst nichts.

Letztes Wort

Und da wäre noch ein Letztes verehrte Leserin, verehrter Leser: Ich brauche keine Theoriepunkte mehr. Den Bericht habe ich einfach so geschrieben. Er ist zu lang, ich weiss. Doch du verstehst jetzt bestimmt; es war eben ein Placempus am Werk.

Danke, darum war ich fort!

Jonas Bienz

1. Open Education ist ein Bildungsprogramm in Dänemark, dass es Erwachsenen erlaubt, sich an bestimmten Hochschulangeboten zu beteiligen, Zwecks Training beziehungsweise Weiterbildung

2. Anmerkung: Eigentlich würde es mir ja schon vollkommen genügen, wenn im Kurrikulum eine besser entsprechende Bezeichnung für den Kurs stehen würde als plump Praktikum. Oder wie wäre es mit einer Mail gewesen: Jonas, du musst einen Bericht über dieses freakige Programm, das du besucht hast schreiben?

3. IDA-Module (Interdisciplinarity in Design and Arts): Das Departement Design & Kunst der Hochschule Luzern ist stolz darauf, hohen Wert auf den interdisziplinären Austausch zwischen den breit angelegten Studiengebieten zu legen. Deshalb sind in den ersten zwei Jahren studiengangsübergreifend zwei Blöcke jeweils im Frühlingssemester den IDA-Module bestimmt. Dort treffen Studierende aller elf Studienric